15. Juni 2008, 19:00 Uhr

Johannes Brahms
"Romantischer Zyklus"


Programm:

Nänie op. 82
Schicksalslied op. 54
3. Sinfonie F-Dur op. 90
Gesang der Parzen op. 89


Aufführende:

Concert-Chor Concordia Hürth
Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl

Leitung: Christian Letschert-Larsson




Kölner Stadt-Anzeiger vom 17. Juni 2008
von Claudia Valder-Knechtges

Mit gewaltig aufrauschendem Klang
Hürther Chor bewies noch einmal seine Klasse

Das Programm war ausschließlich Johannes Brahms gewidmet, dessen 175. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Christian Letschert-Larsson hatte sich für seinen Concert-Chor Concordia 1877 Hürth drei Meisterwerke des Komponisten für Chor ausgesucht und zur Begleitung die professionelle "Thüringen Philharmonie Gotha-Suhl" engagiert. Das war ein guter Griff, denn das Orchester zeichnete die Brahms'schen Partituren gekonnt nach und brachte mit der rein instrumentalen dritten Sinfonie in F-Dur eigenen orchestralen Glanz ein.

Die engagierten Sänger und Sängerinnen des großen Oratorienchores näherten sich der "Nänie" auf einen Text von Schiller, dem Schicksalslied (Hölderlin) und dem Gesang der Parzen (Goethe) mit großem Können und angemessenem Ernst. Alle drei Werke thematisieren das Leben und Sterben, die Ohnmacht des Menschen gegenüber dem Schicksal. Fast durchgängig gelang es, die schweren Chorsätze zu belebtem und auch gewaltig aufrauschendem Klang zu bringen, und die beseelte Ruhe fehlte -wo gefordert - ebenfalls nicht.

Insgesamt war es eine überzeugende vokale Leistung, die auch für die gute Vorbereitung durch Chorassistentin Kathrin Schmitt und Stimmbildnerin Silke Stapf spricht. Natürlich gebührt dem Dirigenten, der umsichtig alles zusammenhielt, ebenfalls und vor allem große Anerkennung. Er ist ein versierter Pult-Meister und führt seinen Chor zu großen musikalischen Erlebnissen. Doch wäre es gut, er würde es bei der musikalischen Leitung bewenden lassen. "Si tacuisses" - "Hättest du geschwiegen" möchte man angesichts der geballten humanistischen Botschaft Brahms' und seiner Textdichter ausrufen. Schweigen, wo Schiller, Goethe und Hölderlin sprechen, kann nicht verkehrt sein.

Stattdessen ergriff Letschert-Larsson in einer allzu saloppen Diktion zwischen den spannungsreichen Musikwerken und der erhabenen Atmosphäre, die durch diese Kunstwerke erschaffen wurde, immer wieder das Wort und glaubte, seinem Publikum mit Fragen wie "Lieben Sie Brahms?" und kolportierten Brahms-Zitaten wie "Eher heirate ich, als dass ich eine Oper schreibe" auf die Sprünge helfen zu müssen. Nicht einmal vor dem Vergleich mit den Massen im Fußballstadion schreckte er zurück, als es um die "leidenden Menschen, blindlings von einer Stunde zur andern, wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen" (Hölderlin) ging. Auch dass Brahms' Todestag vor 111 Jahren war, - "eine Schnapszahl" - musste unbedingt gesagt sein.
Wer an dieser Stelle nicht weint, hat selber Schuld", wurde Brahms zum "Gesang der Parzen" zitiert, und spätestens da machte das Gelächter im Saal deutlich, dass hier zusammenkam, was nicht zusammengehört. Man soll sein Publikum nie unterschätzen - das haben schon viele Künstler gesagt, und Brahms hat es auch gewusst.



Kölnische Rundschau vom 17. Juni 2008
von Dietmar Fratz

Schicksalhafter Brahms
Concert-Chor Concordia hatte schweren Stoff bestens im Griff

Die Romantik ist die erste Adresse für tief empfundenen Ausdruck der menschlichen Seele. Die Rückbesinnung auf mythologische Protagonisten antiker Herkunft, die das Schicksal der Menschheit lenken, hat sich besonders Johannes Brahms mehr als einmal zum Thema erkoren. Der Concert-Chor Concordia hat drei exemplarisch zu nennende Werke zu dem Thema ausgewählt für sein Sommerkonzert im Knapsacker Feierabendhaus. Vor nahezu ausverkauftem Haus näherte sich der Chor unter Leitung von Christian Letschert-Larsson dem schwierigen Stoff mit "Nänie" (op.82, gedichtet von Schiller), dem "Schicksalslied" (op. 54, Text: Hölderlin) und dem "Gesang der Parzen" (op. 89 nach Goethe). Damit der Zugang, den die Sängerinnen und Sänger hörbar erfahren hatten, auch dem Publikum möglich wurde, gab Letschert-Larsson einführende Hinweise zu den Werken, denen der Zwiespalt zwischen Hoffnung und unausweichlichem Götterwillen gemeinsam ist. Dies fand sich mehr als deutlich in der Interpretation durch den stattlichen Chor wieder. Die dramaturgischen Höhen und Tiefen wurden weit gespannt abgeschritten, dem großen Gefühlsspektrum, das Text und Komposition mitgaben, konsequent folgend. Allermeist sangen die Stimmen sauber und dynamisch homogen, mit präsentem Piano und nie übertrieben forciertem Forte.

Die Werke verlangen dem Chor einiges ab. So sind häufig besinnliche A-capella-Passagen abrupt nach dramatischen Tutti-Passagen zu bewältigen. Auch in einstimmigen Passagen, die versinnbildlichen, dass die Menschheit hier mit einer Zunge redet, war der Chor erfreulich lupenrein. Im sechsstimmigen op.89 hatten die Männer- und Frauenstimmen jeweils ihren Alleingang. Der große Dynamik-Umfang auf engstem Raum, den die Männer elegant vorlegten, wurde von Sopran und Alt ebenbürtig aufgenommen.

Der Schluss lässt die Stimmen über stammelnd-betroffene Eintönigkeit bis zum Stillstand erstarren. Übrig blieb das entfernte, dräuend-tiefe Grollen aus Kontrafagott, Kontrabässen und Tuba. Danach brauchten die ergriffenen Zuhörer einen Moment, bis sie zum verdienten Applaus fähig waren.

Begleitet wurde der Chor von der "Thüringen Philharmonie Gotha Suhl". Das Orchester bewies bereits bei zurückliegenden Auftritten mit der Concordia sein exquisites Können. Willig gingen die Musiker des mit zehn ersten Geigen beachtlich großen, dennoch erstaunlich samtweichen Apparates die vom Dirigenten geforderten Ausdrucksfacetten mit. Letschert-Larsson hatte sie gut disponiert, so dass Orchester und Chor in guter Klangwaage musizierten.
Ohne Chor spielte das Orchester die 3. Sinfonie F-Dur (op. 90) von Brahms. Der ständig changierenden Ausleuchtung der Stimmung durch aufhellende und abdunkelnde Tonartwechsel spürte das Orchester neugierig nach. Wenn der Dirigent bei diesem Werk hier und da daran erinnern musste, dass er für die Führung zuständig ist, mag das als Beleg dafür dienen, dass die Thüringer das Konzert nicht nur "abliefern" wollten.
Die anrührende Themenweitergabe im 3. Satz gab, von kleinen Unpässlichkeiten im Horn abgesehen, allen Stimmgruppen die bestens genutzte Gelegenheit, sich auszuzeichnen.